Kaum zu glauben, aber wahr: Auf nur fünf Hektar Rebfläche begann Arnaldo Caprai 1971 seinen Traum vom eigenen Weingut. Heute ist das Anwesen in Montefalco im Herzen Umbriens ein hochgeachteter Betrieb, auf dem Sohn Marco Caprai das Potential der Region voll ausschöpft und der alten Rebsorte Sagrantino zu neuem Renommee verhilft. »Caprai ist der Sagrantino und der Sagrantino ist Caprai« schrieb gar der Gambero Rosso. Was hinter dieser einmaligen Verbindung von Weingut und Rebsorte steckt, wollte ich bei einem Besuch im Sommer 2019 erkunden, bevor wir unsere Gäste vom Weingut Caprai zum Großen Weinfestival im Weinlager Zeven selbst einladen. Nach Führungen durch Weinberg und Keller sowie einer ausgiebigen Verkostung philosophierten Marco und ich über den Sagrantino und den Weinbau Umbriens …

Auf dem Weg zu Ihrem wunderschön gelegenen Weingut sind wir entlang von Olivenhainen und Weinbergen auf der so genannten „Strada del Sagrantino“ gefahren. Spricht man mit den Menschen hier in der Region, glaubt man, dass es ohne Ihre Arbeit mit dieser autochthonen Rebsorte den Namen dieser Straße so nie gegeben hätte. Warum haben Sie und Ihr Vater gerade die Rebsorte Sagrantino wieder zum Leben erweckt?
Wir haben die Traube ausgewählt, weil mein Vater Arnaldo unter den in Umbrien vorkommenden Rebsorten beim Sagrantino das größte Potential entdeckt hatte. Diese Traube überrascht uns immer wieder, sie besitzt einen einzigartigen Reichtum, den nur sehr wenige Sorten vorweisen können. Es ist eine einheimische Traube, die definitiv die ganze Region repräsentiert. In den 50er und 60er Jahren gab man den Sagrantino auf. Wir haben dann angefangen, die Sorte wiederzuentdecken und ihr neues Leben eingehaucht. Ihr herausragendes Merkmal ist ihre geografische und genetische Einzigartigkeit. Der unglaubliche Wert und der starke Charakter des Sagrantino haben dazu beigetragen, eine wiedererkennbare Marke zu schaffen. Der Sagrantino ist außerdem uralt. Mit unseren Weinen zeigen wir, wie groß sein Potential ist.
Was ist das Geheimnis des Erfolgs von Arnaldo und Marco Caprai und kann man Ihre Philosophie auf eine kurze Formel bringen?
Harte Arbeit, Leidenschaft und der Respekt für ein Gebiet mit einer reichen Weinbautradition zeichnen unser ganzes Team aus. Die Kurzformel lautet: Tradition und Innovation.
Was beeinflusst den Charakter und die Persönlichkeit Ihrer Weine, speziell die des Sagrantino?
Ein guter Wein beginnt im Weinberg, ehe im Keller ein Meisterwerk daraus wird. Um das zu erreichen, bewirtschaften wir unsere Weinberge nach einem nachhaltigen Modell, das sich auf Wissenschaft und Technik stützt. Mit Nachdruck setzen wir uns für eine qualitativ hochwertige, moderne Landwirtschaft ein, die das bewirtschaftete Land und alle beteiligten Menschen respektiert und geringe Auswirkungen auf die Umwelt hat. Unsere ständige Suche nach innovativen Verfahren und experimentellen Anwendungen hat unser Weingut zu dieser dynamischen und modernen Form der Landwirtschaft geführt.
Ein guter Wein beginnt im Weinberg, ehe im Keller ein Meisterwerk daraus wird.
Marco Caprai
Im Keller sind der Respekt für das Potential und die Eigenschaften eines Weins die Ausgangspunkte. Die Schlüsselmomente sind Mazeration, Gärung und Reifung, die nur durch Erfahrung und Erprobung richtig beherrscht werden können. Seit dem Jahrgang 2015 ergänzen wir unsere eigene Erfahrung durch eine Kooperation mit dem Team von Michel Rolland. Durch die Zusammenarbeit konnten wir das Bewusstsein für das Kellermanagement steigern und neue Möglichkeiten kennen- und nutzenlernen.

Ich bin ein großer Fan des Arnaldo Caprai Collepiano. Wofür steht der Name »Collepiano« und wie werden die Besonderheiten des umbrischen Weinbaus in diesen Wein transportiert?
»Collepiano« bedeutet »sanfter Hang« und bezieht sich auf die angenehmen Hügel in der Umgebung. Der Collepiano besteht zu 100% aus Sagrantino. Er reift zu einem Drittel in neuer französischer Eiche, der andere Teil kommt in Fässer zweiter Belegung. Der Collepiano hat die sagrantinotypische Struktur und Komplexität. Die polyphenolische Reifung der ausgewählten Trauben erfordert eine gute Mischung aus neuer und älterer Eiche. Dadurch zähmen wir die Tannine und finden die perfekte Balance zwischen fruchtigen und reifen Düften. Der Collepiano ist ein aufrichtiges, authentisches und traditionelles Beispiel für das Potential der Traube. Er ähnelt den Umbriern sehr.
Für unsere Kunden sicherlich auch interessant: Was meinen Sie, welcher Jahrgang des Collepiano war der bis dato beste?
Beim Collepiano würde ich den 2013er als den bislang besten Jahrgang bezeichnen. Er ist unglaublich reich und hat eine elegante Komplexität. Die Wetterbedingungen ermöglichten eine ausgewogene Reifung der Tannine, die dem Wein einen kühnen Charakter verleihen. Im Mund ist er äußerst angenehm, dazu besitzt er einen langen Abgang. Qualitativ ganz dicht dahinter kommt der 2014er Collepiano, der mit einer fast balsamischen Note und großer Finesse hervorsticht. Ein toller Doppeljahrgang!
Es ist interessant zu hören, dass auch Sie tief im »Cuore verde d’Italia« – dem grünen Herzen Italiens – auf die Ratschläge von Michel Rolland hören. Wie arbeitet es sich gemeinsam mit einem der weltweit bekanntesten Wein-Consultants?
Die Zusammenarbeit mit Michel Rolland ist sehr wertvoll. Unser Ziel besteht darin, feinere und elegantere Weine zu erzeugen, ohne etwas von der einzigartigen Struktur, dem Reichtum und dem großen Alterungspotential des Sagrantino einzubüßen.

Die letzten Tage hier in Umbrien waren sehr heiß. Ihre Mitarbeiter sagten uns bei der Ankunft, dass selbst sie diese Hitze nicht gewohnt seien. Ist der Klimawandel für Ihre Arbeit eine große Herausforderung und gibt es in Umbrien neue »Trends«, damit umzugehen?
Der Klimawandel ist definitiv eine der größten Herausforderungen. Ich weiß nicht, ob es ein Trend ist, aber die Einstellung zur Umwelt hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Umbrien hat die Nachhaltigkeit zu einem Kernanliegen gemacht. Wir von Arnaldo Caprai haben 2008 mit dem Projekt »New Green Revolution« begonnen und infolgedessen die Equalitas-Nachhaltigkeitszertifizierung erhalten. Diese Auszeichnung bestätigt, dass wir in all unseren Aktivitäten ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig handeln. Wir glauben, dass dies die einzige proaktive Haltung gegenüber der Umwelt ist.
Wie bewerten Sie das Image der umbrischen Weine in der Welt?
Umbrien hat eine lange Weinbautradition. Es ist eine kleine Region, aber sie hat bewiesen, dass sie wirklich großartige Weine hervorbringen kann. Das Image ist sehr positiv, denke ich, und ich hoffe, dass wir mit unseren Weinen einen Teil dazu beizutragen können.
Welche Rebsorte aus Deutschland würden Sie gerne einmal in Umbrien anbauen?
Das Terroir ist hier ein völlig anderes als in Deutschland, aber spannend fände ich es, für Rotweine die Sorte Blaufränkisch (Lemberger, Anm. d. Aut.) anzubauen.

Das wäre in der Tat ein interessantes Projekt! Welches ist denn eigentlich der beliebteste Arnaldo Caprai-Wein in den hiesigen Bars?
Im Sommer auf jeden Fall der Grecante. Und wenn es dann auf den Herbst zugeht: der Montefalco Rosso.
Vielen Dank für die Einblicke in Ihre Arbeit. Es war mir ein Vergnügen! Heute Abend werden wir ganz sicher eine Flasche Arnaldo Sagrantino Collepiano köpfen. Wie und wozu sollen wir diese Flasche genießen?
Ganz einfach: Zu einem saftigen Steak! Auch mir war es ein Vergnügen! Danke für Ihren Besuch und für die Einladung zum Weinfestival in Zeven, bei dem unser Weingut vertreten sein wird. Wir freuen uns schon!
Caprai ist der Sagrantino und der Sagrantino ist Caprai.
Gambero Rosso
In obigem Zitat bringt der Gambero Rosso die Leistung der Caprais in Bezug auf die Wiederbelebung des Sagrantino auf den Punkt. Noch immer ist die Rebsorte ein Geheimtipp, aber ein ganz besonderer! Seit 1992 darf sie als Montefalco Sagrantino DOCG in der höchsten italienischen Qualitätsweinstufe erzeugt werden. Wie außergewöhnlich komplex die Resultate schmecken, können Sie anhand des Arnaldo Caprai »25 Anni« selbst erkunden. Anlässlich des 25. Geburtstages des Weinguts erstmals produziert, erhielt dieser nach Brombeerkonfitüre, Gewürzen, Minze und Kakao duftende »Kraftprotz« seit 1997 für jeden Jahrgang die »3 Gläser« des Gambero Rosso.
Dass Marco Caprai sich aber nicht nur auf reinsortig ausgebaute Weine aus der lange vergessenen blauen Traube versteht, sondern auch die Kunst der Weincuvée vortrefflich beherrscht, beweist er mit dem Arnaldo Caprai Montefalco Rosso. Gemeinsam mit dem Merlot spielt der Sagrantino in dieser Assemblage nur die zweite Geige, während die Sangiovese-Traube zu 70% Eingang findet in diesen ehrlichen, authentischen Tropfen Umbriens. 12 Monate im Eichenfass hinterlassen in ihm einen dezent rauchigen Eindruck, der bei Tisch wunderbar mit geräuchertem Schinken oder gereiften Käsen harmoniert.
Zu guter Letzt kommt auch der Weißwein im Caprai-Keller nicht zu kurz. Der Arnaldo Caprai »Grecante« aus der DOC Colli Martani ist für uns einer der besten Weißweine Italiens! Gekeltert aus der autochthonen Sorte Grechetto besticht er mit einer Vielfalt an Aromen, die sich von Sommerblüten über gelbe Pfirsiche hin zu exotischen Früchten erstrecken. Mild in der Säure, elegant und kraftvoll zugleich ist Marco Caprai auch hier ein kleines Weinwunder gelungen – wieder einmal.
