Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Mal. Vor mir stehen 12 prächtige Austern, frisch aus dem Etang de Thau auf die mit Eis gefüllte Servierplatte gebracht. Ein Stück Zitrone thront in der Mitte und die gut gekühlte Butter mit etwas Baguette wird im Körbchen dazu gestellt. Zwei Gläser klirren und die braungebrannte Dame in Latzhose und Gummistiefeln stellt diese auf dem Tisch ab. Flink entkorkt sie eine Flasche und füllt beide Gläser bis zum Rand, die umgehend beschlagen. Ich nehme den ersten Schluck. Es bitzelt und tanzt auf meiner Zunge und die knackige Säure fährt mir die Kehle runter. Sofort mag ich mehr. Der heiße Sonnentag steckt im Gesicht, im Körper und verlangt nach Abkühlung und Erfrischung. Noch zwei Schluck mehr und ich merke eine leichte, wohlig-angenehme Benommenheit, die mir die Beine beschwert. Der Wein verlangt nach einem Partner und mit den Austern bekommt er den besten dazu.

So schmeckt der Sommer im Weinglas
Der Picpoul de Pinet, zusammen mit den herrlich mineralisch-frischen Austern, ist meine erste intensive und sehr gelungene Wein-Speisen-Kombination, der ich bewusst auf die Spur gekommen bin und die mich nachhaltig beeindruckt hat. So simpel, so gut! Das ist 15 Jahre her und es nutzt sich nicht ab. Jeden Sommer suche ich mir dieses Erlebnis und immer ist es auf’s Neue überraschend und beglückend, obwohl bekannt.
Eine der wesentlichen Erkenntnisse wurde mir damals gleich „gratuit“ vom Austernfischer mitgeliefert. Was aus dem gleichen Landstrich kommt, passt gut zusammen. Recht hatte er. Und bei aller Liebe zu „gewagten Kombinationen“ und „ungeahnten Geschmacksexplosionen“, mir ist das Einfache oft einfach das Beste.
Und der Sommer schmeckt für mich nach Gurken-Grapefruit-Salat mit Garnelen und Orangen-Remoulade zu einem Glas eiskalten Pinot Grigio.
Und dazu? Die feine Sommerküche!
Eine bodenständige Zugänglichkeit und Unaufgeregtheit liegt mir auch beim Essen und Trinken näher als der „heiße Scheiß“, der schon morgen nur noch lahm ist. Erfreulich beobachte ich das Bemühen von Winzern, sich auf ihre Wurzeln – im wahren wie übertragenen Sinn – zu besinnen und nicht das Rad ständig neu erfinden zu wollen. Ganz klischeehaft trinke ich tatsächlich im Sommer mehr Weißwein, was unmittelbar mit meinen kulinarischen Gelüsten einhergeht. Für eine schmackhafte Sommerküche braucht es nicht viel Chichi und vielleicht vermögen meine kleinen Empfehlungen, Ihnen den Mund ein wenig wässrig und Lust auf Sommerküche zu machen. Der Sommer ruft für mich nach grünem Veltliner, der zu einem Sommerpicknick auf kalt aufgeschnittenen Tafelspitz mit Meerrettichaufstrich, Apfelschnitzen und einer dicken Scheibe Bauernbrot trifft. Und der Sommer schmeckt für mich nach Gurken-Grapefruit-Salat mit Garnelen und Orangen-Remoulade zu einem Glas eiskalten Pinot Grigio.

Zum Schluss noch ein echter Geheimtipp!
Kürzlich erlebte ich einen unerwarteten Sommergenuss, den ich Ihnen in keinem Fall vorenthalten will. Im Entre-deux-mers servierte man zu einer gelungenen, schon gereiften, Cuvée aus Sauvignon Blanc und Sémillon eine köstliche, hauchdünne Tarte mit Steinpilzen und kleinen Schinkenstückchen. Ein Eichblattsalat komplettierte diese traumhafte Kombination, die so leicht daher kam, dass auch das Dessert noch Platz hatte. Und à propos Dessert – gegrillte Aprikosen und Pfirsiche mit Thymian und Rosmarin ergeben zusammen mit einer leichten Joghurt-Ziegenkäse-Crème einen köstlichen Nachtisch. Dazu passt ein feinperliger Moscato d’Asti genau so wie ein Muscat de Rivesaltes aus dem Roussillon.
Auf weiße, heiße Sommerweine! Auf uns!