Winterzeit ist Rotweinzeit. Zumindest für die meisten von uns Weintrinkern und mindestens noch einige Wochen lang. Wenn die Tage kurz und die Temperaturen niedrig sind, schmecken die roten, tiefen Tropfen doch am besten. Offenbar beeinflusst die Natur unseren Weingeschmack.

Viele bevorzugen dann elegante, wärmende Tropfen aus südlicheren Regionen wie den »Colomé Estate Malbec« aus Salta, den »Wildcard Shiraz-Cabernet« aus dem Barossa Valley oder – wer es klassischer mag – die »Conde Valdemar Reserva« aus Rioja.

Da kommt Vorfeude auf. Der erste Schluck rollt langsam über die Zunge. Gut fühlt er sich an, unser Rotwein. Perfekt temperiert, weich und rund. Kraft und Fülle hat er auch. Die fruchtigen und würzigen Noten gefallen Nase und Gaumen gleichermaßen. Nach dem Schlucken hallen sie noch lange nach. Wir kommen ins Schwelgen: Was war das doch für ein herrlicher Sommer! Der Wein nimmt uns gedanklich mit in den Urlaub, in die Weinberge und zu den Menschen, denen wir begegnet sind. Dann stellen wir das Glas ab und schauen nach draußen in die graue Winterwelt. Es ist kalt. Die Natur schläft. Wenig rührt sich. Aber unser Rotwein schmeckt und wärmt von innen. Und schon beim nächsten Schluck kommt uns plötzlich ein Gedanke: Wenn im Winter die Reben ruhen, was macht dann eigentlich der Winzer?

Klar scheint nämlich, dass bis hier, also bis zum wärmenden Tropfen aus dem Glas, jemand fleißig gewesen sein muss. Richtig: unser Winzer – oder auch: unsere Winzerin. Die Scharen an Helfern, die bei jeder Ernte mit anpacken, wollen wir an dieser Stellte natürlich nicht vergessen. Auch Dank ihnen dürfen wir jetzt fertigen Wein schlürfen.

Ein wärmender Tropfen Rotwein

Doch zurück zur Natur und zu unserem Winzer: Was die eine dem anderen in den warmen Monaten abverlangt, davon haben die meisten Menschen noch eine Ahnung. In Kürze könnte man es so sagen:

Im Frühjahr treiben die Rebstöcke aus. Der Winzer bändigt die Triebe und bringt sie in Form. Er erzieht sie – so nennt man das in der Fachsprache –, am Vertikaldrahtrahmen wohlgemerkt. Im Sommer folgt die Wache am Weinberg: das Laubdach muss gelichtet werden, damit die Frucht die Sonne sieht. Außerdem wird gewässert, wenn nötig, und gebetet bei Bedarf. Denn im Herbst steht die Ernte an und reife, gesunde Trauben sind für guten Wein vonnöten! Die Trauben werden gelesen, sortiert und vinifiziert. Dann wandert der neue Wein ins Fass oder gleich in die Flasche. Ein Teil verbleibt im Weingut, der andere kommt in die Läden. Der Rest ist unsere Entscheidung. Viele greifen zum Rotwein – es ist schließlich Winter.

Seine jungen Weine überlässt der Winzer im Winter keineswegs sich selbst. Am Ende sollen sie schmecken und darum kümmert er sich intensiv. Zwischen Dezember und Februar probiert er immer wieder, ob sich Aromatik und Struktur in die gewünschte Richtung entwickeln. Eine Aufgabe, die beileibe keinen Hochgenuss verspricht, denn häufig sind die Geschmacksprofile noch unbalanciert und rau. Außerdem muss der Winzer entscheiden, wie er seine jungen Weine ausbaut: Profitiert der Wein vom Hefelager oder nicht? Ist ein biologischer Säureabbau angeraten oder braucht der Jahrgang Frische? Verbleibt der Wein besser im Stahltank oder verträgt er einen Schliff vom Holzfass?

Je durchdachter die Erzeugung ist, desto beeindruckender wird der Wein. Ein Beispiel gefällig? Seine »Graacher Himmelreich Riesling Auslese« ließ Winzer Markus Molitor bei kühlen Temperaturen spontan vergären. Das facettenreiche Aromenpotential dieses edlen Tropfens von Kräuterdüften über Feuersteinanklänge, bis hin zu Mirabellen-, Pfirsich- und Limettennoten konnte auf diese Weise wunderbar entfaltet werden. Anschließend lagerte der Wein lange auf der Feinhefe, gewann an Fülle und Finesse, ehe er im Holzfass zu Rundheit und Ruhe kam.

Um sich optimal zu entwickeln, braucht Wein zudem eine wohltuende Umgebung, weshalb der Winzer im Winter die Temperatur im Weinkeller genau im Blick haben muss. Viele Winzer lüften nach dem Jahreswechsel einmal gründlich ihre Kellerräume, denn durch den Temperaturabfall fällt der berüchtigte Weinstein aus. Er ist gesundheitlich völlig unbedenklich, aber dennoch unerwünscht. Und so ist der Winzer geneigt, ihn loszuwerden, bevor wir ihn später im Glas entdecken.

Weinkeller mit großen Holzfässern

Im Weinkeller ist also auch im Winter was los. Reparaturarbeiten, Etikettierungen sowie das Putzen und Planen für den kommenden Jahrgang sind weitere, selbstverständliche Bestandteile der Kellerarbeit.

Und wie sieht´s im Weinberg aus?

Auch hier ist der Winzer im Winter gefragt. Wenn er etwa neue Rebflächen anlegen will – was nicht selten der Fall ist –, dann heißt das Stichwort „Rigolen“. Damit ist das gründliche Umgraben des Bodens gemeint, auf dem die neuen Rebstöcke gedeihen sollen. Mit großen Pflügen dringt der Winzer über einen halben Meter tief in den Boden ein, um ihn von Wurzeln und Sträuchern zu befreien. Das hilft der Jungrebe beim Anwachsen.

Ältere Weinberge wiederum werden mit Kompost bedacht, den der Winzer zwischen den Rebstöcken verteilt. Gleich zwei Ziele verfolgt er damit: Erstens kann der Boden das Wasser besser aufnehmen und zweitens dient der Kompost als Erosionsschutz. Einen ganz ähnlichen Effekt hat auch das Mulchen der Winterbegrünung, die häufig im Herbst nach der Lese ausgebracht wurde. Zwischen Januar und März arbeitet der Winzer das frische Grün in den Boden ein, um den Reben Nährstoffe zur Verfügung zu stellen und zusätzliches Düngen zu vermeiden.

Im Februar und März steht zudem der Rebschnitt an. Der Winzer nutzt die Vegetationspause der Natur, um seine Reben „zurecht zu stutzen“. Dafür setzt er mit der Schere weit unten am Trieb an und lässt nur wenige sogenannte „Augen“ stehen. (Ein Auge ist eine kleine Verdickung am Rebholz, aus der die Rebe im Frühjahr neu austreibt.) Bei diesem oft rigorosen Verfahren entscheidet der Winzer bereits über die ungefähre Ertragsmenge der kommenden Ernte, wobei gilt: je weniger Augen am Stock verbleiben, desto geringer fällt der Ertrag aus. Der Weinqualität kommt diese Maßnahme zugute, denn geringe Erträge versprechen höhere Qualitäten. Gleichzeitig wird die Rebe beim Winterschnitt an den Rahmen des Unterstützungssystems angepasst, an dem die neuen Triebe entlang und emporwachsen sollen. Denn der Frühling naht…

Weinrebe nach dem Rebschnitt

Man sieht: die Winzer haben zu tun. Das ganze Jahr über. Auch im Winter. Mancherorts hängen sogar noch Trauben in den Rebzeilen, wenn anderswo die fertigen Jungweine längst verkauft sind. (Denken wir zum Beispiel an die Beaujoulais-Winzer und ihren Primeur, der schon im November auf den Markt kommt.) Wenn man es auf einen frischen Jahrgang anlegt, dann lassen die weltweit geschätzten Prädikate Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein lange auf sich warten. Bis in den Januar hinein kann sich beispielsweise die Lese für einen Eiswein hinziehen, der ja bereits mit seinem Namen verrät, worauf es ihm ankommt: Frost!

Dass sich das Warten und die Mühe, edelsüße Weine zu erzeugen, immer wieder lohnt, ist uns Genießern bewusst. Neben ihrem vorzüglichen Geschmack machen die kleinen Ertragsmengen diese Weine begehrt und höchstintensiv!

Na dann, auf unsere Winzer und zum Wohl!

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